Getrennt gemeinsam unterwegs

Vor genau 10 Jahren schrieb ich den Blogartikel „Unge(b)ahnte Wege gehen“. Er beginnt mit der Frage, die mir manche damals gestellt haben „Warum denn das schon wieder?“ Damals bezog sie sich auf meinen Eintritt in die Hochkirchliche St. Johannes-Bruderschaft.

Unge(b)ahnte Wege gehen

Heute habe ich diesen Artikel mehr oder weniger zufällig wieder gelesen und festgestellt, dass er für mich gerade wieder hoch aktuell ist. Heute werden sich in meinem Umfeld auch manche dieselbe Frage stellen, diesmal aber in Bezug auf meine Konversion in die Armenische Apostolische Kirche. Was ich damals als Option noch ausgeschlossen hätte, ist vor zwei Wochen geschehen.

Das Meiste von dem, was ich geschrieben habe, bestätigt sich aber erneut:

  • „Das hat aber noch nie bedeutet, dass ich alle anderen Prägungen wegschieben würde. Sie sind Teil des Weges, den Gott mit mir gegangen ist.“
    Das bedeutet es auch jetzt nicht. Ganz im Gegenteil, ich freue mich über die Bereicherung: »Prüft aber alles und das Gute behaltet.« – (1 Thess. 5, 21)
  • „Die Trennungen und Spaltungen in der Christenheit sind für mich nicht nur theoretisch eine offene Wunde.“
    Umso schöner war es, dass Freunde aus unterschiedlichen Kirchenfamilien diesen Schritt begleitet haben, auch wenn die Trennung – oder wie einer der Freunde es treffend nannte „das skandalon der Trennung“ – dadurch nochmals präsenter war.
  • „Aber es muss eben auch Christen geben, die diese Spannungen aushalten um der Einheit willen.“
    Diese Freunde haben sich um meinetwillen dieser Spannung konkret am Tag meiner Aufnahme in die Armenische Kirche ausgesetzt. Nicht umsonst habe ich einige von ihnen auch in der Johannesbruderschaft bzw. in ihrem Umfeld kennengelernt.
    Und ich muss auch damit leben, jetzt z.B. nicht mehr in meiner früheren Gemeinde in der römischen Kirche an der Kommunion teilnehmen zu können, auch wenn ich dort immer noch bei Website und Rundbrief unterstütze. Die Gemeinschaft (communio) geschieht nun eben in anderer Weise.
  • „Noch schöner, wenn diese Begegnung zustande kommt, ohne dass man danach gesucht hätte.“
    Nicht nur die Johannesbruderschaft, sondern auch die Armenische Kirche habe ich kennengelernt, ohne auf der Suche gewesen zu sein. Es sollte damals eigentlich nur ein freundschaftlicher ökumenischer Besuch sein – in beiden Fällen.

Dinge mit Geschichte(n) – ein ungeplantes Tattoo

Auch wenn es kein „Ding“ ist, hat es doch seine Geschichte – mein Tattoo eines (armenischen) Kreuzes, mit dem ich selbst nie gerechnet hätte.

Im April – zum orthodoxen Ostertermin – habe ich eine Israelwallfahrt mit einer fast ausschließlich armenischen Gruppe gemacht. Die Armenische Kirche feiert eigentlich nur im Patriarchat von Jerusalem das Osterfest zum orthodoxen Termin, sodass wir es alle im Prinzip zum zweiten Mal gefeiert haben.

Am Mittwoch der (orthodoxen) Karwoche kam in den Gesprächen plötzlich das Thema Tattoo-Studio auf. Einige hatten wohl Kontakt mit einem Studio im armenischen Viertel aufgenommen und einen Termin erbeten. Jetzt sollte eine Liste erstellt werden, wer zu diesem Termin am letzten Tag unseres Aufenthaltes ein (Kreuz)Tattoo wollte. Von einem früheren Termin wurde uns abgeraten, weil wir noch zum Toten Meer wollten. Frisches Tattoo und Salz-Lake ist gar keine gute Kombination!

Die Nachfrage hatte mich völlig überrumpelt, denn ich konnte absolut nicht nachvollziehen, warum es jetzt plötzlich um Tätowierungen ging. Ich habe mich jedenfalls nicht mit auf die Liste setzen lassen.

Aber das Thema hatte sich dennoch in meinem Kopf festgesetzt. Eine Tätowierung aus einer Gruppendynamik heraus ist aber eine ziemlich schlechte Idee. Also habe ich mir Zeit genommen, darüber nachzudenken und mich auch mit einem guten Freund zu besprechen: „Lasse ich mich durch die Gruppendynamik motivieren?“ – „Was ist, wenn wir als Christen unter Druck geraten sollten und ich mich dadurch angreifbar mache?“

Dann habe ich mich an die koptischen Christen erinnert, die tatsächlich jetzt bereits unter Druck stehen und ihren Glauben auch durch ein gut sichtbares Tattoo bekennen. Im Laufe des Sonntags wurde mir dann klar, dass ich das doch machen möchte – wenn noch ein Platz auf der Liste frei wäre. Nun, er war frei, weil einige die Tätowierung doch noch vorgezogen haben. Also habe ich mich am vorletzten Tag entschlossen, mir am letzten Abend in Jerusalem ein Tattoo stechen zulassen:

 

Erst im Nachgang habe ich erfahren, dass es offenbar eine sehr alte Tradition ist, sich bei einer Jerusalemwallfahrt ein Kreuz tätowieren zu lassen. In der armenischen Kirche ist jemand, der eine Wallfahrt nach Jerusalem gemacht hat jemand, der den Tod gesehen hat (wegen der Gefahren). Hier und auch in anderen östlichen Kirchen ist es völlig normal, sich in Jerusalem tätowieren zu lassen. Im Nachhinein haben mir armenische und auch orthodoxe Christen ihre entsprechenden Tattoos gezeigt. Auch ein älterer katholischer Priester hat kommentiert: „Es gibt also noch die alte Tradition in Jerusalem. Gottes Segen!“

Damit wurde ich also – ohne es vorher zu wissen – Teil einer größeren ökumenischen Gemeinschaft, die eine jahrhundertelange Tradition weiterführt. Das macht mir diese Tätowierung noch einmal deutlich wertvoller.

Im Übrigen ist sie auch ein Zeichen, das mich nochmal stärker mit der Armenischen Kirche verbindet, mit der ich mich zunehmend identifiziere.

Anmerkung: Ja, die Tätowierung war schmerzhaft, aber lange nicht so sehr, wie ich mir das vorgestellt hätte.

 

Gepflanzt an Wasserbächen

Heute habe ich zum ersten Mal seit über 15 Jahren eine eine andere Krippe aufgebaut, als bisher. Ich musste also ganz neu überlegen, wie ich sie gestalten möchte. Eine Konstante bleibt aber: Es gibt es eine Wasserstelle mit einem Baum und daneben einen Brunnen – und jedes Jahr kommt mir dabei Psalm 1 in den Sinn:

„Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen noch tritt auf den Weg der Sünder noch sitzt, wo die Spötter sitzen, sondern hat Lust am Gesetz des HERRN und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht!

Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl.“

(Psalm 1, 1-3)

Niemand hat die Absicht, …

… die sakramentale Struktur der Kirche aufzugeben oder zu ändern!

Als ich vor 2 ½ Jahren das hier schrieb, hat mir ein schweizer Priester noch Verschwörungstheorien unterstellt: „Zölibatsdebatte und ‚Frauenfrage‘ – man spürt die Absicht und ist verstimmt“

Heute tritt es offen zutage:

Ein Jesuitenpater behauptet „Wir brauchen keine Priester und keine Priesterinnen“. Im selben Text nivelliert er auch noch die Transzendenz, leugnet ein Eingreifen Gottes in diese Welt und negiert letztlich die Gottheit Christi.

Solche Stimmen habe ich in letzter Zeit von verschiedenen Seiten häufiger vernommen. Und die Facebook-Präsenz von „Maria  2.0“ teilt den Artikel zustimmend mit Einfach. Nur. Wunderbar.“

Nachtrag: Am 4. August wurde auf derselben Facebook-Präsenz von Maria 2.0 auch noch ein Text geteilt, der das Christentum als Religion komplett in Frage stellt, die Gottheit Christi leugnet sowie überhaupt jede überzeitliche Wirklichkeit: „10 things about Christianity that Jesus would refute if he returned“ von Jim Palmer

Aber auch mein Vergleich der medienpräsenten Initiative „Maria 2.0“ mit einem Trojaner war natürlich nichts anderes als eine Verschwörungstheorie.

Außerdem hat natürlich auch niemand die Absicht, …

Zu vital für diese Kirche?

Die gezielte Ausgrenzung und Entwurzelung der traditionsverbundenen Katholiken ging kurz vor Weihnachten in eine neue Phase. Nicht nur die Feier der traditionellen Messform wurde erschwert und ins Ghetto verbannt, sondern auch die Spendung anderer Sakramente, Weihen und Sakramentalien nahezu unmöglich gemacht. Außerdem hat der Präfekt der Gottesdienstkongregation in den „Responsa ad dubia“ Anweisungen gegeben, die auch noch die Einheit des traditionellen Ritus in sich aufbrechen – indem nämlich die Lesungstexte der reformierten Bücher genutzt werden sollen. Die Gesamtkomposition aus Gebetstexten, Lesungen und Proprium wäre damit auseinandergerissen. Es hat den Anschein, dass hier gezielt die Wurzeln abgehauen und das Wasser abgegraben werden soll. Diese „Pflanze“ soll unbedingt zum Absterben verurteilt werden.

Ich hatte ja schon von Anfang an den Verdacht, dass das Hauptproblem eher ist, dass die „Alte Messe“ nicht brav ausgestorben ist, sondern sich das Interesse an ihr sogar ausgeweitet hat. Das hält der Obrigkeit einen unerwünschten Spiegel vor.

Im Begleitbrief zum Motu proprio klang das schon an: „Eine von Johannes Paul II. und mit noch weiterem Großmut von Benedikt XVI. gewährte Möglichkeit, um die Einheit der Kirche unter Achtung der verschiedenen liturgischen Sensibilitäten wiederherzustellen, ist dazu verwendet worden, die Abstände zu vergrößern, die Unterschiede zu verhärten, Gegensätze aufzubauen, welche die Kirche verletzen und sie in ihrem Weg hemmen, indem sie sie der Gefahr der Spaltung aussetzen.“!

Noch deutlicher wird es jetzt von Erzbischof Roche in einem Interview formuliert: „Die Konzessionen, die Johannes Paul II. und Benedikt XVI. an die alte Liturgie approbiert haben, dienten nie dazu, sie zu fördern, sondern nur dazu, sie zu tolerieren. – Leider haben viele die Gelegenheit genutzt, in die entgegengesetzte Richtung zu gehen.“

Die gezielte Demütigung und Diskreditierung der Gläubigen, die in der traditionellen Messform beheimatet sind, lässt eigentlich nur zwei Reaktionen zu: Sich verschreckt und eingeschüchtert in die Vorgaben zu fügen und alles zu vermeiden, was irgendwie kritisch sein könnte, oder eben Aufbegehren. Letzteres wird dann im Nachgang(!) die Begründung für das Motu proprio liefern. Eine perfide Zwickmühle!

Und dann wird auch noch vorsorglich behauptet, eine Verletzung habe nicht stattgefunden: „… und nicht die eigenen Wunden zu lecken, wenn niemand verwundet worden ist.“

Man könnte meinen, die Gläubigen würden absichtlich und gezielt provoziert. Der Zeitpunkt der „Responsa ad dubia“ kurz vor Weihnachten macht es nicht besser. Schon als das Motu proprio herauskam, hat jemand sehr treffend geschrieben: „Wie formuliert man etwas so, dass es genau die Reaktionen hervorruft, auf die man (angeblich) reagiert?!“ (aus dem Gedächtnis zitiert)

In principio erat verbum …

»In principio erat Verbum,
et Verbum erat apud Deum,
et Deus erat Verbum.
Hoc erat in principio apud Deum.
Omnia per ipsum facta sunt:
et sine ipso factum est nihil.«


»Im Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott,
und Gott war das Wort.
Dieses war im Anfang bei Gott.
Alles ist durch es gemacht,
und ohne es ward nichts.«

Nein, Weihnachten ist noch nicht vorbei, auch wenn ich bereits vorgestern den ersten entsorgten Tannenbaum am Straßenrand habe liegen sehen. Mindestens bis zum 6. Januar, also dem Fest Epiphanie bleibt die Menschwerdung Gottes das zentrale Thema. Dabei werden auch die verstörenden „Begleiterscheinungen“ nicht ausgespart: Gestern wurde in der römisch-katholischen Kirche des Diakons und ersten Märtyrers Stephanus gedacht, morgen der unschuldig ermordeten Kinder.

Heute beght die römische Kirche das Fest des hl. Johannes, des Theologen, Apostels und Evangelisten. Sein Evangelium beginnt mit den oben zitierten Worten und führt damit sofort in das tiefere Geheimnis dessen, was da geschichtlich in Bethlehem geschehen ist. Diese Worte werden auch am Ende jeder Heiligen Messe in der traditionellen Form des Römischen Ritus gelesen, nachdem Christus in der Liturgie auf dem Altar – und in der heiligen Kommunion – wieder in besonderer Form gegenwärtig wurde.

Der hl. Johannes ist auch der Patron der Hochkirchlichen St.-Johannes-Bruderschaft, der ich angehöre. In seinem Evangelium finden wird das Hohepriesterliche Gebet, das in unserer Gemeinschaft einen besonderen Platz einnimmt:

»Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, dass sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.« (Joh 17, 20-21)

Außerdem wird an diesem Tag traditionell der Johanneswein gesegnet: „Trinke die Liebe des heiligen Johannes …“ Wie passend, dass ich gerade gestern ein Flasche Wein bekommen habe! Sie war ein Geschenk der Armenischen Gemeinde an diejenigen, die in der Kirche einen Dienst tun, auch an die Chorsänger / -sängerinnen – eigentlich anlässlich des Stephanustags, an dem auch die Diakone besonders im Blick sind. So greift alles ineinander. 🙂

Vom Versuch, Traditionen zu verbinden

In diesem Jahr habe ich den Versuch unternommen, unseren westlichen Adventskranz mit der armenischen Variante zu verbinden, weil mir mittlerweile beide Traditionen wichtig geworden sind.

Seit etwa 2 ½ Jahren habe ich enge Kontakte zur Armenischen Gemeinde hier in Köln, besuche regelmäßig die Liturgien und singe mittlerweile auch dort im Chor. Seit zwei Jahren ist es mir auch wichtig, nicht nur unser Weihnachten am 25. Dezember zu feiern, sondern auch das Weihnachtsfest der Armenischen Kirche am 6. Januar, das mit Epiphanie zusammenfällt.

Der armenische Adventskranz hat 7 Kerzen und eine große Christuskerze, die am Weihnachtsfest (also am Abend des 5. Januar) angezündet wird. Und weil der armenische Advent (Յիսնակ / „Hisnak“ genannt) 7 Wochen hat, wird bereits heute die erste Kerze angezündet.

Meine Variante hat dann noch zusätzlich eine kleine weiße „Christuskerze“ (für unser Weihnachtsfest) auf dem Kranz. Ab da werden die Kerzen auch heller – ähnlich unserer Tradition, an Gaudete ein aufgehelltes Violett zu nutzen. Er ist also eine Verbindung des armenischen Adventskranzes mit unserem westlichen.


Sehr hörenswert ist auch dieser Beitrag zum armenischen Hisnak / Advent:


Das Schöne am Adventskranz ist ja, dass er zwar eine schöne Tradition ist, aber nicht so festgelegt, dass man ihn nicht auch anpassen könnte. Als ursprünglich evangelische Erfindung ist er sowieso eine Verbindung mehrerer Traditionen.

Auch zum Thema:

Ein Adventskranz ist ein Adventskranz

Die Kirche schrumpft? – Nein: Sein Reich wächst!

Gastbeitrag von Manfred Barnabas Loevenich SJB


Die Kirche schrumpft?
Nein: Sein Reich wächst!

Wie es im Lied heißt:

„Die Sonne, die uns sinkt, bringt drüben
den Menschen überm Meer das Licht:
und immer wird ein Mund sich üben,
der Dank für Deine Taten spricht.

So sei es, Herr: die Reiche fallen,
Dein Thron allein wird nicht zerstört;
Dein Reich besteht und wächst, bis allen
Dein großer, neuer Tag gehört.“

(Evangelisches Gesangbuch 266, „Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen“, Strophen 4-5)

„Dein Reich besteht und wächst, bis allen Dein großer, neuer Tag gehört.“ Beim Singen dieses Liedes heute Abend im Gottesdienst kam mir sofort ein Blogartikel von Äbtissin Christiana Reemts OSB aus der Abtei Mariendonk in den Sinn:

„Manchmal geht einem plötzlich etwas auf, was man eigentlich immer schon wissen konnte. So ging es mir, als mir klar wurde, dass die Kirche nicht schrumpft, sondern unaufhörlich wächst, wächst bis zum Ende der Welt.

Von Schrumpfung kann man nur sprechen, wenn man unter Kirche ausschließlich die jetzt lebenden Katholiken versteht und selbst dann nur, wenn man seinen Blick sehr eingeschränkt auf Europa richtet.

Aber zur Kirche gehören alle Gläubigen aller Zeiten, von Maria und den Apostel bis zu denen, die die Wiederkunft Christi erleben werden. Mit jedem getauften Kind wächst die Kirche.“

Quelle: https://www.mariendonk.de/index.php/blog (Eintrag vom 11. August 2021)

Ja und Amen! Die Kirche schrumpft nicht – sie wächst unaufhörlich, „wächst bis zum Ende der Welt“!

Zum Bild: „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“ (Hebräer 13,8)

Er ist wahrhaftig auferstanden

Es gibt eine Reihe von Glaubenswahrheiten, von denen vermeintlich aufgeklärte Zeitgenossen behaupten, sowas könne man doch heute nicht mehr glauben. Das sei nicht mehr vermittelbar und müsse deshalb aus der kirchlichen Verkündigung gestrichen werden, oder zumindest umgedeutet. Dieser Unglaube wird dann auch noch als erwachsen bezeichnet – im Gegensatz zum angeblich infantilen Glauben der „Frommen“.

Ganz oben auf der Liste dieser nicht glaubbaren Wahrheiten steht die Auferstehung Christi. Die Umdeutungen sind uns leider nur allzu bekannt: Er lebe in seinen Nachfolgern weiter, oder in seiner Botschaft … Folgerichtig ist dann auch bei unseren Verstorbenen häufig die Rede davon, dass sie (nur noch) in unseren Gedanken weiterleben.

Was man uns als modernen und mündigen Glauben weismachen will, ist aber so alt wie das Christentum selbst. Zur Zeit Jesu gab es bereits die Vorstellung einer Auferstehung, und es wurde bereits heftig darüber gestritten, so dass auch Jesus dazu befragt wurde. Gleich in zwei Evangelien wird davon berichtet – im Markusevangelium (12, 18 ff) und im Matthäusevangelium (22, 23 ff):

»Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Ihr irrt, weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes. […] Habt ihr denn nicht gelesen von der Auferstehung der Toten, was euch gesagt ist von Gott, der da spricht (Exodus 3,6): »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«? Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.« (Mt 22, 29 und 31-32)

In den ersten Gemeinden tauchte der Zweifel an der Auferstehung ebenfalls sehr schnell auf. In Korinth gab es offenbar Gemeindeglieder, die nicht so recht an eine Auferstehung glauben wollten. Ihnen antwortet der hl. Paulus:

»Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferweckt worden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen.« (1 Kor 15, 3-6)

Der Kern dessen, was der hl. Paulus empfangen hat, ist also die Botschaft vom Sühnetod Christi und seiner Auferstehung. Beides wird heute immer noch oder wieder in Frage gestellt. Dabei führt der Apostel Zeugen an, die seine Zeitgenossen immer noch befragen konnten. Dann schreibt er weiter:

»Wenn aber Christus gepredigt wird, dass er von den Toten auferweckt ist, wie sagen dann einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten? Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. Wir würden dann auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen. Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden. Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden; dann sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.« (1 Kor 15, 12-19)

»Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig«

Christentum ohne die Auferstehung ist sinnlos – gleichgültig, was vermeintlich aufgeklärte Verkündiger uns weismachen wollen. Christus ist auferstanden und wir werden auferstehen – nicht symbolisch oder nur geistig, sondern real.

Der Dichter Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) hat es so ausgedrückt:

Jesus lebt, mit ihm auch ich!
Tod, wo sind nun deine Schrecken?
Er, er lebt und wird auch mich
von den Toten auferwecken.
Er verklärt mich in sein Licht;
dies ist meine Zuversicht.

Bei orthodoxen Christen ist es Tradition, diesen Osterglauben mit dem Ostergruß zu bezeugen und sich gegenseitig der Auferstehung zu versichern: „Χριστός ἀνέστη“ (Christos anesti) – „Christus ist auferstanden!“. Die Antwort: „αληθώς ανέστη“ (Alithos anesti) – „Er ist wahrhaftig auferstanden!“

Auch die armenischen Christen grüßen einander mit: „Քրիստոս յարեաւ ի մեռելոց“ (Krisdos haryaw i merelotz) – „Christus ist auferstanden“. Hier lautet die Antwort: „Օրհնեալ է յարութիւնն Քրիստոսի“ (Orhnyal e harutyunn Krisdosi) – Gepriesen sei die Auferstehung Christi!“

Die Botschaft der Auferstehung lässt uns in diesen Lobpreis mit einstimmen.

Maria 2.0 – Vorsicht Trojaner!

Tastenlöwe, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Das Fake-Update „Maria 2.0“ macht nun schon seit fast zwei Jahren von sich reden. Sollte es ursprünglich eigentlich – laut Werbung – dazu dienen, die Aufklärung der Missbrauchsfälle voranzutreiben, entpuppte es sich nach relativ kurzer Zeit eher als Trojaner.

Laut der Website eines Antivirus-Programms zeichnen sich Trojaner zum Beispiel durch Folgendes aus:

„Im Gegensatz zu anderen Arten von Malware, die nicht einmal versuchen vorzugeben, dass sie sicherer und freundlicher Natur sind, können Trojaner auf den ersten Blick schwieriger zu identifizieren sein.“

Ging es zu Beginn noch vermehrt um die Frage der Missbrauchs-Aufklärung, wurde das Thema zusehends zum reinen Stichwortgeber. Es gibt allenfalls noch lose sprachliche Verknüpfungen mit Phrasen wie „Angesichts des Missbrauchsskandals“ oder „Vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals“ etc., und dann kommen Forderungen, die damit nur noch sehr bedingt etwas zu tun haben. Oder Forderungen, denen rundum zuzustimmen ist – wie zum Beispiel die nach lückenloser Aufklärung – werden sprachlich untrennbar mit Forderungen verknüpft, die die Verfassung der Kirche komplett auf den Kopf stellen.

Das Einrichten von Hintertürchen: Üblicherweise führen Trojaner Änderungen an Ihrem Sicherheitssystem durch, sodass sich dann auch weitere Malware oder gar Hacker Zugriff verschaffen können.“

Bei der Forderung nach Weiheämtern für Frauen schimmerte von Anfang an die Haltung durch, das Weihepriestertum an sich sei eigentlich überflüssig. Lange Zeit ließ sich das nur durch beharrliches Nachfragen herausfinden. Als ich diese Wahrnehmung im Januar letzten Jahres in einem Blogartikel formuliert habe, wurden mir in einer Facebook-Diskussion noch Verschwörungstheorien unterstellt. Allerdings sagt eine der Gründerinnen wiederholt, sie sehe die Weihe von Frauen (nur) als Zwischenschritt zur Abschaffung des Weihepriestertums. Mittlerweile gab’s jetzt auch noch den „Thesenanschlag 2.0“, und „Reformation 2.0“ scheint auch nicht mehr weit zu sein.

Die Verwandlung Ihres Computers in einen Zombie: Manchmal ist ein Hacker gar nicht an Ihnen interessiert, sondern er möchte einfach nur Ihren Computer nur als Sklave in einem Netzwerk verwenden, das unter seiner Kontrolle steht.“

Es wird immer wieder behauptet, hier engagierten sich Frauen aus der Mitte der Kirche, die auch in ihren Gemeinden zu den Engagiertesten zählen. Ich glaube gerne, dass das für einige auch stimmt. An einer konstruktiven Mitarbeit z.B. beim Synodalen Weg – wie auch immer man dazu stehen mag – waren sie aber nicht interessiert. Verfolgt man aber die Diskussionen und Argumentationsmuster genauer, wird eines immer klarer: Das was hier angestrebt wird, hat mit der Kirche nicht mehr viel zu tun. Vor der kirchlichen Kulisse werden Mahlfeiern gehalten, die gezielt mit den Symbolen der Eucharistie hantieren, aber eine Umdeutung erfahren. Von Selbstermächtigung und „einfach machen … nicht um Erlaubnis fragen“ ist da die Rede. Der personale dreifaltige Gott wird zu einer Chiffre degradiert. Ansonsten geht es fast nur noch um innerweltlich-gesellschaftliche Anliegen, Strukturen und die Machtbefugnisse, diese Strukturen nach eigenen Vorstellungen komplett umkrempeln zu können.

Offensichtlich wurde unser kirchliches Antivirus-Programm zu lange vernachlässigt und zu selten mit den notwendigen Updates versorgt – mit dem Ergebnis dass mittlerweile sogar das Betriebssystem angegriffen wird.

Verstehens- und Übersetzungshilfen im kirchlichen Diskurs – Teil II

Weitere sprachliche Chiffren, die mir in Diskussionen zu kirchlichen Themen immer wieder auffallen:

geschwisterliche KircheKirche ohne Weiheamt und Sakramente, dafür aber mit vielen "kreativen" Ritualen
Dialog auf AugenhöheDen Klerikern endlich mal sagen, wie es zu laufen hat
selbstbestimmt, autonom, authentischindividualistisch und bestimmt durch die eigenen Befindlichkeiten
Frauenfrage, frauengerecht, geschlechtergerechtWeiheämter für Frauen und Negierung aller Unterschiede zwischen den Geschlechtern
reformorientiertumstürzlerisch
theologische Erkenntnisse aufgreifen, intellektuell verantwortenDenkfiguren der Universitätstheologie übernehmen, sofern sie nicht zufällig mit der Lehre der Kirche übereinstimmen.
(dunkles) MittelalterSammelbegriff für alles Furchtbare, was man je der Kirche zugeschrieben hat, gleichgültig in welcher Epoche und durch wen genau es tatsächlich geschehen ist. Außerdem Bezeichnung alles Lehrmäßige und Liturgische, das nicht der Beliebigkeit freigegeben wird. - Gerne genutzt, wenn die Argumente ausgehen.
Tritt oft auf in Kombination mit "fundamentalistisch" und/oder "unmündig, ..."
unkritisch, unreflektiert, unmündig, autoritätsgläubig, hörigZuschreibungen für Gläubige, die die kirchliche Lehre verteidigen.
Per Definition kann es offenbar nicht möglich sein, z.B. durch eigenes Nachdenken und eigene Auseinandersetzung, zum selben Ergebnis zu kommen wie die Kirche.
unsicher, sicherheitsbedürftig, ängstlichPathologisierung von "konservativen" Gläubigen, damit man sich nicht mit deren Argumenten auseinandersetzen muss.
fundamentalistischWenn gar nichts mehr hilft, wird die Gegenmeinung endgültig diskreditiert und assoziativ als gefährlich dargestellt.

Brot muss man essen, um satt zu werden!

Gastbeitrag von Manfred Barnabas Loevenich SJB


Das kleine Kirchenbuch, in Verbindung mit der Lutherischen Liturgischen Konferenz zusammengestellt von Edith Thomas, mit Bildern von Christian Rietschel

Dieses 1953 im Johannes Stauda-Verlag Kassel herausgegebene wunderbare Büchlein wurde im engeren Sinne für Kinder geschrieben. Ihnen soll darin die Schönheit der Liturgie vermittelt werden; es will die Liebe zum liturgischen Vollzug der Kirche wecken und dessen tieferes Verständnis fördern.

Allerdings ist Das kleine Kirchenbuch auch für Erwachsene und selbst für Theologen äußerst lesenswert. Denn es lenkt den Blick auf wesentliche Aspekte des Gottesdienstes (in diesem Fall des lutherischen Hauptgottesdienstes, der Messe). Sein Inhalt ist – selbstverständlich mit Akzentverschiebungen in Praxis und Lehre – auch für Katholiken sowie für Christen anderer Konfessionen informativ und geistlich wertvoll.

Ich habe das Buch antiquarisch „ergattern“ können. Gestern ist es mir mit der Post geliefert worden und die Freude darüber ist groß. Den Hinweis auf das Buch verdanke ich einem Freund bei Facebook, dem ich dafür herzlich dankbar bin. Er hatte es dort vor kurzem in einer „Sieben-Tage-Sieben-Lieblingsbücher-Challenge“ präsentiert.

Das Besondere an diesem bald siebzig Jahre alten Büchlein besteht für mich u.a. darin, dass hier in einer gläubigen Selbstverständlichkeit und tiefen Ehrfurcht über die Liturgie gesprochen wird, wie sie heute selten geworden sind: sowohl bei evangelischen als auch bei katholischen „Teilnehmenden“ am Gottesdienst – und leider oft genug auch bei den Liturgen selbst.

In den vergangenen Wochen ist mir angesichts der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie schmerzlich bewusst geworden, wie „verzichtbar“ der Gottesdienst und namentlich die Eucharistie hierzulande in vielen Gemeinden, bei Geistlichen, Bischöfen und Kirchenleitungen unterschiedlicher Prägung zu sein scheint.

Wie anders, „hell strahlend“ und direkt ansteckend scheint demgegenüber die besondere Hochachtung vor der Heiligen Eucharistie – dem lebendigen Christus in Leib und Blut – in diesem kleinen Bändchen für Kinder auf. Dort heißt es:

„Der Heiland hat von Sich gesagt: Ich bin das Brot des Lebens. Brot muss man essen, um satt zu werden. Den Herrn Jesus bewundern wie einen großen Mann, hilft uns nichts.

Wir müssen Ihn in unser Herz aufnehmen, wie wir das Brot mit unserem Munde empfangen. In dem Stücklein Brot, in dem Schluck Wein ist Er Selbst uns gegenwärtig, der gestorbene und auferstandene Heiland.“

In Verbindung mit diesem Zitat habe ich meine Neuerwerbung bei Facebook vorgestellt, und bekam darauf viel positive Resonanz. Die Reaktion eines Pfarrers im Ruhestand hat mich besonders gefreut. Sie hat mir gezeigt, dass ich mit meiner Einschätzung nicht alleine stehe. Er schreibt:

„Danke für diesen Hinweis auf Das kleine Kirchenbuch von Edith Thomas, das noch immer einlädt das Geheimnis der Gegenwart Gottes in der Eucharistie in Liebe und Ehrfurcht zu feiern, gerade jetzt in der Corona-Krise.“

Dies macht Hoffnung und stimmt mich zuversichtlich – gerade auch im Blick auf die hohen Feste Christi Himmelfahrt und Pfingsten, die wir in diesen Tagen feiern.

»… aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen«

Heute Morgen fast zeitgleich in Köln:

Auch wenn mittlerweile wieder öffentliche Gottesdienste – mit Auflagen – möglich sind, gibt es glücklicherweise immer noch die Möglichkeit, der Liturgie per Streaming zu folgen. Selten habe ich so sinnfällig wie gerade jetzt wahrgenommen, dass das Lob Gottes nicht begrenzt ist durch Ort, Sprache, Kultur, Nationalität und auch nicht durch die derzeitigen Umstände.

Wie ich es schon zu Ostern wahrgenommen habe: „Vielleicht macht gerade die jetzige Situation besonders deutlich, dass wir Liturgie nie nur mit den uns gerade umgebenden Menschen feiern, sondern immer in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche und der himmlischen Wirklichkeit – letzteres ganz ohne Abstandsregeln und Infektionsgefahr.“

Danach sah ich, und siehe, eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen; die standen vor dem Thron und vor dem Lamm, angetan mit weißen Kleidern und mit Palmzweigen in ihren Händen, und riefen mit großer Stimme: Das Heil ist bei unserm Gott, der auf dem Thron sitzt, und bei dem Lamm! Und alle Engel standen rings um den Thron und um die Ältesten und um die vier Wesen und fielen nieder vor dem Thron auf ihr Angesicht und beteten Gott an und sprachen: Amen, Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Kraft und Stärke sei unserm Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
(Offenbarung 7, 9-12)

 

Ostern ist definitiv nicht ausgefallen!

Dieses Jahr ist alles anders, aber damit sage ich niemandem etwas Neues. Das betrifft natürlich auch die kirchlichen Vollzüge. Schon die Fastenzeit kam mir teilweise vor wie ein wochenlanger Karsamstag – kein Sakrament, keine Liturgie, zumindest keine direkte Teilnahme.

Nach und nach gab es aber immer mehr Möglichkeiten, sich wenigstens über Livestream mit dem Gebet und der Liturgie der Kirche zu verbinden. Das ist auch eine schöne Möglichkeit, die christlichen Geschwister anderer Traditionen ohne große Hemmschwelle zu „besuchen“. Nicht einmal um die Kommuniongemeinschaft müssen wir uns dabei Gedanken machen.

Meine zusammenfassenden Überlegungen zu diesen Tagen in dieser Situation:

  1. Vielleicht macht gerade die jetzige Situation besonders deutlich, dass wir Liturgie nie nur mit den uns gerade umgebenden Menschen feiern, sondern immer in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche und der himmlischen Wirklichkeit – letzteres ganz ohne Abstandsregeln und Infektionsgefahr.
  2. Ich bin dankbar für alle Priester, die auch ohne die terminliche Verpflichtung fest geplanter Gottesdienste treu bleiben in der Feier der göttlichen Geheimnisse.
  3. Ich bin dankbar für die technischen Möglichkeiten, die wir mittlerweile haben – und für den Mut, damit zu experimentieren, um die Gläubigen nicht allein lassen zu müssen.
  4. Auch wenn einige Stimmen gestreamte Liturgien als Geistermessen diffamieren und lieber „kreative Rituale“ der Laien zuhause hätten – das persönliche Gebet ist essentiell, aber die Rückbindung an das Gebet und die Liturgie der Kirche sind es genauso. Ansonsten steht man evtl. nur auf einem Bein. Am sichersten steht man aber, wenn beide „Beine“ gut ausgeprägt sind. Auch in dieser besonderen Situation!
  5. Ich bin dankbar, dass so viele Möglichkeiten gefunden wurden, den Gläubigen schließlich doch noch Sakramente zu spenden und dass auch die Sakramentalien nicht zu kurz kamen. Wir sind eben doch nicht nur Geist, sondern auch Leib.
    Für den Leib wurde auch dadurch Sorge getragen, dass überall große Umsicht geherrscht hat, damit es dabei nicht zu Ansteckungen kommt.

Jetzt aber im Einzelnen:

Am Palmsonntag habe ich von zuhause aus die Liturgie der Armenischen Gemeinde hier in Köln verfolgt – mit Tablet und Liturgiebuch (und sowieso ganz ohne Hemmschwelle) – außerdem noch eine Übertragung am Nachmittag. Weil ich davon ausgegangen bin, in diesem Jahr keine gesegneten Palmzweige zu bekommen, musste ein kleines Ästchen meines Olivenbaumes als Stellvertretung herhalten.

Am Karfreitag konnte ich am Morgen in der (katholischen) Kirche St. Pantaleon wider Erwarten doch noch zur Beichte gehen. Dort hatte ich auch die Möglichkeit, mit einem kurzen Ritus die hl. Kommunion zu empfangen – zum ersten Mal seit einigen Wochen.

Am Nachmittag hatte ich dann das Privileg, auch körperlich an einer Liturgie teilnehmen zu können. Als Teil der Oekumenischen Choralschola Köln habe ich mit anderen Sängern und Sängerinnen und dem Liturgen Pfarrer Herzberg in der leeren (evangelischen) Antoniterkirche die Karfreitagsliturgie zur Sterbestunde Jesu mitgefeiert. Diese Liturgie wurde ebenfalls zum Mitbeten online gestellt.

In der Osternacht habe ich mich wieder aus der Ferne mit der Liturgie der Armenischen Gemeinde verbunden. Zur österlichen Freude kam bei mir außerdem noch die Freude dazu, die ich an meiner neuen Ikone hatte, die zu diesem Anlass erstmals ihren Platz bekam. Die für mich in Minsk (Weißrussland) angefertigte Ikone meiner Namenspatronin, der Prophetin Hanna, war nämlich erst wenige Tage zuvor angekommen.

Am Ostersonntag hat die Priesterbruderschaft St. Petrus in der Kirche Maria Hilf in Köln die Möglichkeit angeboten, die Osterkommunion zu empfangen. Eine Stunde lang war dafür die Kirche geöffnet und zur „Halbzeit“ haben die Patres zudem noch die mitgebrachten Osterspeisen gesegnet. Zu einer gesegneten österlichen Kerze bin ich dabei auch noch gekommen.

Den Ostermontag bestimmte ein Ausflug nach Aachen: Bei traumhaftem Wetter habe ich mir unter anderem den dortigen Westfriedhof angesehen. Besonders beeindruckt war ich vom Campo Santo, der bei diesem Wetter in wunderschönes Licht getaucht ist. Schön war es auch, mich gerade auf dem Friedhof mit Zeugnissen der Auferstehungshoffnung konfrontiert zu sehen.

In einer nahegelegenen Kirche (St. Laurentius in Aachen-Laurensberg) gab’s dann auch noch was von den gesegneten Palmzweigen und Osterkerzen.

Letztlich konnte ich in der Kar- und Osterwoche sehr viel mehr „Handfestes“ empfangen und erleben, als ich es mir vorher gedacht hätte.

Im letzten Jahr wären das alles noch Selbstverständlichkeiten gewesen.

Verstehens- und Übersetzungshilfen im kirchlichen Diskurs – Teil I

Im derzeitigen kirchlichen Diskurs fallen mir immer wieder sprachliche Chiffren auf, die ich sukzessive hier aufgreifen möchte:

jesuanischDas was der Mensch(!) Jesus eigentlich wollte, was aber durch die böse Kirche deformiert und überhöht wurde - So wie ich Jesus gern gehabt hätte
Der Gott Jesu Christi Jesus war nicht Gott, er hatte aber ein besonders gutes Verhältnis zu ihm (siehe auch "Jesuanisch")
Die (heilige) GeistkraftDer Heilige Geist ist keine Person, sondern eine ominöse Kraft. Und irgendwie sollten wir doch auch noch einen weiblichen Artikel in die Beschreibung der Dreifaltigkeit hineinbringen, selbst wenn wir dadurch die Personalität opfern
mutigFordern/Tun, was gerade en vogue ist, aber der Haltung der Kirche entgegensteht
Kirche neu denkenSakramentales Weihepriestertum abschaffen und Sakramente nur noch als Symbole anerkennen, Ordination nur noch als Beauftragung zu bestimmten Aufgaben, gerne auch auf Zeit - Auf alle Fälle möglichst wenig Unterschiede zur säkularen Gesellschaft
bunt, offenBeliebig, Hauptsache entgegen den Vorgaben der Kirche, natürlich divers und gendersensibel
kreativ, frechIllegal, Regeln brechend
ökumenischMöglichst nah am Minimalkonsens mit der protestantischen Sichtweise und der säkularen Gesellschaft
SelbstermächtigungSchismatische Akte setzend
Glaubenssinn des Volkes GottesWas Leute sich vorstellen, - gleichgültig, ob noch Kirchenglied oder nicht, - die seit Jahrzehnten keine ordentliche Katechese mehr hatten und die Dan Brown für eine verlässliche Informationsquelle halten
ergebnisoffenEs darf alles dabei herauskommen, nur muss es meinen Vorstellungen entsprechen und darf nicht die Position der Kirche sein.

Lebensrealitäten

Wer von der Kirche erwartet, dass sie sich den „Lebensrealitäten ihrer Mitglieder“ – oder ganz allgemein der säkularen Gesellschaft – anpasst, …

… der erwartet wohl auch von einer Zahnspange, dass Sie sich den dem krummen Gebiss anpasst.

Zölibatsdebatte und ‚Frauenfrage‘ – man spürt die Absicht und ist verstimmt

Die Debatte um den Zölibat der Priester könnte eigentlich recht unaufgeregt sein, aber sie scheint wohl gerade – gemeinsam mit der Debatte um die Weihe von Frauen – der Dreh- und Angelpunkt der derzeitige Diskussionen im kirchlichen Bereich zu sein – angefeuert von den Erwartungen, die mit dem Synodalen Weg in Deutschland verknüpft werden.

Ja, der Zölibat hat seinen Wert – nicht so sehr, weil er dem Priester Freiräume für vermehrten Einsatz für die Gemeinde bietet, nicht weil Ehe und Familie ihn zu viel Zeit kosteten und schon gar nicht, weil Sexualität etwas Verwerfliches wäre, sondern weil er auf die himmlische Wirklichkeit hinweist. Der Zölibat der Priester – genauso wie die Jungfrauenweihe oder die Witwenweihe – ist ein unübersehbares Zeichen dafür, dass es mehr gibt, als diese Welt und dieses Leben. Darum wird er, genau wie die Jungfrauen- und Witwenweihe, so angeriffen. Für viele ist es unerträglich, mit einem unübersehbaren Zeichen konfrontiert zu werden, das mehr als nur pragmatisch ist, sondern an eine transzendente Wirklichkeit erinnert, an unser letztendliches Ziel.

Aber der Zölibat ist andererseits auch kein Dogma und nicht Voraussetzung für die Gültigkeit einer Weihe. Auch die Verteidiger des Zölibats schießen häufig über’s Ziel hinaus und messen ihm eine Bedeutung bei, die er nicht hat. Es gibt ja bereits verheiratete Priester, und zwar sowohl in der römisch-katholischen Kirche als auch vor allem in den orthodoxen und altorientalischen Kirchen. Diesen Priestern wird wohl (hoffentlich!) niemand das Priestertum, eine priesterliche Existenz und priesterliches Wirken absprechen.

Ich glaube, in den derzeitigen Diskussionen um das Thema Zölibat geht es weniger um ‚arme einsame Priester ohne Familie‘ (es werden schließlich fast die Hälfte der Ehen hierzulande geschieden und es gab noch nie so viele Singles wie heute), sondern eher darum, jeglichen Unterschied zwischen geweihten Klerikern und Laien zu beseitigen oder zumindest unsichtbar zu machen. Das Heilige darf nicht mehr sichtbar werden!

Mit verheirateten Priestern hätte ich noch das geringste Problem, wenn sie denn ihrem Stand gemäß z.B. priesterliche Kleidung trügen und sich gemäß ihrer Würde und ihres geweihten Standes verhielten. Deswegen funktioniert das ja auch bei den Ostkirchen, wäre bei uns aber ein fatales Zeichen. Damit wäre hier im Westen einer der letzten und der viellleicht augenfälligste sichtbare Hinweis auf die so ganz andere Welt Gottes eliminiert.

Und ich vermute, das ist der Hauptgrund für die Forderung der Aufhebung des Zölibats: Nivellierung des geweihten Priestertums. Bei der Frage nach der Frauenordination steckt im Übrigen dieselbe Denkweise dahinter, wie ich in den verschiedenen Diskussionen mit den einschlägigen Gruppierungen feststellen konnte. Irgendwann kam nämlich immer das ‚Argument‘, Jesus habe schließlich überhaupt keine Priester geweiht.

Letztlich geht es also wohl vor allem darum, das Weihepriestertum an sich abschaffen zu wollen. Die Marginalisierung des Zölibats und die Forderung nach Weiheämtern für Frauen sind lediglich Zwischenstationen dazu.

Zum selben Thema: „Zölibatsdebatte, Frauenordination und was dabei gern ‚vergessen‘ wird“

Krippe und Kreuz: Gott kommt zu uns!

Gedanken im Advent (aus 2016) – Gastbeitrag von Manfred Barnabas Loevenich SJB

„Als die Zeit reif war, sandte Gott Seinen Sohn. Als Mensch geboren und dem Gesetz untergeordnet, erlöste Er uns vom Zwang des Gesetzes, damit wir Gottes Kinder werden“, schreibt der heilige Apostel Paulus an die Galater. So zitiert ihn auch das zeitgenössische Paulus-Oratorium „Lass dir an meiner Gnade genügen“ (1973) von Siegfried Fietz und Johannes Jourdan. Weiter heißt es dort in einem Lied:

Gott kommt zu uns,
Er kommt herab von Seinem ew’gen Thron.
Gott kommt zu uns,
und wird uns gleich in Jesus, Seinem Sohn.

 (…) Gott kommt zu uns,
wir müssen nicht mehr zweifelnd nach Ihm fragen.
Gott kommt zu uns,
um Seine Gnade allen anzusagen.

 (…) Gott kommt zu uns,
die Krippe und das Kreuz sind Seine Zeichen.
Gott kommt zu uns,
und unsre Trauer soll der Freude weichen.

In diesen Tagen so kurz nach dem verheerenden Terroranschlag an der Berliner Gedächtniskirche hört man im vielfältigen, teils erschreckenden Stimmengewirr auch Äußerungen, wie diese: Der Terroranschlag sei brutal eingebrochen in die „besinnliche, vorweihnachtlich-friedliche“ Stimmung, ja er habe diese nachhaltig zerstört: „Wie kann man jetzt noch Weihnachten feiern?“

Nun, es stimmt. Der Anschlag hat unsere Gesellschaft tatsächlich empfindlich getroffen, verwundet, verunsichert. Und das lag wohl auch in der Absicht des oder der Attentäter. Aber was hat es auf sich mit dieser „friedlichen Weihnachtsatmosphäre“, die nun, wie es heißt, so empfindlich gestört oder zerstört wurde?

„Als die Zeit reif war, sandte Gott Seinen Sohn.“ Wir erwarten Sein Kommen – nur, dass dieses Kommen wenig gemein hat mit einer oberflächlichen und vermeintlichen Idylle, die sich lediglich äußerlich orientiert am weihnachtlichen Geschehen, wie die Bibel es uns berichtet und wie die Kirche es feiert.

Im Advent 1944 schrieb P. Alfred Delp SJ (1907-1945) in der Haft, nur wenige Wochen vor seiner Hinrichtung am 2. Februar 1945:

Gott ist mit uns: so war es verheißen, so haben wir geweint und gefleht. Und so ist es (…) Wirklichkeit geworden: ganz anders, viel erfüllter und zugleich viel einfacher als wir meinten. Gott wird Mensch. (…) Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt.

Ist darin nicht bereits die Antwort gegeben, wo und wie der Ausweg zu finden ist aus der lähmenden Wut, Angst und Ohnmacht, unter der auch viele Christen angesichts der unbegreiflichen Gewalttat in Berlin leiden?

Wenn der Mensch Gott erkennt, ohne sein Elend zu erkennen,
verfällt er dem Stolz.

Erkennt er sein Elend, ohne Gott zu erkennen,
verfällt er der Verzweiflung.

Durch die Erkenntnis Jesu Christi stehen wir in der Mitte,
denn darin finden wir sowohl Gott wie auch unser Elend.

Blaise Pascal (1623-1662)

Erwarten wir Jesus, den Christus, trotz – und mitten in – aller Not, Angst, Gewalt und Verzweiflung, dann vermögen wir wirklich adventliche Menschen zu sein, die mit Gott rechnen und von Ihm her leben. Dann feiern wir das Fest der Menschwerdung Gottes tiefer, wahrhaftiger, froher und glaubwürdiger, als die ganze Medien- und Konsum-Maschinerie es uns nahelegt und aufdrängen will. Wer etwas genauer hinsieht und hinhört, entdeckt bald Spuren dieses anderen Advents: nicht des lauten Advents mit Kling-Glöckchen und greller Werbung, sondern der verhaltenen, leisen aber starken, tiefen und erwartungsfrohen Vorfreude – die den unauflösbaren Zusammenhang von Krippe und Kreuz nicht verleugnet, sondern darin den eigentlichen und tiefsten Grund zur Freude erkennt.

Viele Adventslieder wissen um diesen Zusammenhang und besingen ihn in deutlichen Bildern. Vielleicht überhören wir das zu schnell? – Nehmen wir uns doch hier die Zeit, einige Liedtexte kurz zu bedenken:

„Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt …“ Kaum ein Liederdichter der jüngeren Vergangenheit hat die Ambivalenz und den Reichtum der Weihnachtsbotschaft so tief erfasst und im eigenen Leben erfahren, wie Jochen Klepper (1903-1942). Die Tragik seiner Lebensgeschichte spricht hier für sich. Das Lied „Die Nacht ist vorgedrungen“ (GL 220 / EG 16) drückt dieses Glaubenswissen aus:

Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein.

Strophe 1

Das Kommen des Heilands, die Menschwerdung des Gottessohnes, löst das Böse in der Welt nicht auf, sondern eröffnet den Ausweg hin zur wahren Errettung und Erlösung:

Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von Seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr,
von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.

Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt.
Als wollte Er belohnen, so richtet Er die Welt.
Der Sich den Erdkreis baute, der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute, kommt dort aus dem Gericht.

Strophe 4 und 5

Ganz ähnlich klingt es bei Paul Gerhardt (1607-1676):

Ich lag in schweren Banden, Du kommst und machst mich los;
ich stand in Spott und Schanden, Du kommst und machst mich groß
und hebst mich hoch zu Ehren und schenkst mir großes Gut,
das sich nicht lässt verzehren, wie irdisch Reichtum tut.

Auch dürft ihr nicht erschrecken vor eurer Sünden Schuld;
nein, Jesus will sie decken mit Seiner Lieb und Huld.
Er kommt, Er kommt den Sündern zu Trost und wahrem Heil,
schafft, das bei Gottes Kindern verbleib ihr Erb und Teil.

„Wie soll ich dich empfangen“ (EG 11), Strophe 4 und 8

Auch Friedrich Spee von Langenfeld (1591-1635) weiß um die tiefe Not und Sehnsucht wie auch die Erfüllung der adventlichen Erwartung.

Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
darauf sie all ihr Hoffnung stellt?
O komm, ach komm vom höchsten Saal,
komm, tröst’ uns hier im Jammertal.

Hier leiden wir die größte Not
vor Augen steht der ewig’ Tod.
Ach komm, führ uns mit starker Hand
vom Elend zu dem Vaterland.

„O Heiland, reiß die Himmel auf“ (GL 231 / EG 7), Strophe 4 und 6

Überhaupt blendeten die Christen früherer Zeiten in ihrer Adventsfreude das Leid und die Not des Menschen, die Sünde und den Tod nicht aus. Im Gegenteil! Gerade diese bedürfen ja so dringend der Erlösung durch das Kommen Gottes in diese Welt: „Et incarnatus est“, Er kam „in unser Fleisch“. Das Kind in der Krippe gibt es nicht als heimelige Idylle, Verdrängung und Illusion, sondern handfest, konkret, lebendig:

Und wer dies Kind mit Freuden umfangen, küssen will,
muss vorher mit ihm leiden groß Pein und Marter viel,

danach mit Ihm auch sterben und geistlich aufersteh’n,
das ewig’ Leben erben, wie an Ihm ist gescheh’n.

„Es kommt ein Schiff geladen“ (GL 236 / EG 8), Strophe 5 und 6, von Daniel Sudermann (um 1550-1631), vermutlich nach Johannes Tauler (um 1300-1361)

In dieser Erkenntnis liegt der eigentliche Trost, auch und gerade in Tagen wie diesen: „Gott kommt zu uns, die Krippe und das Kreuz sind Seine Zeichen. Gott kommt zu uns, und unsre Trauer soll der Freude weichen!“

Ein kleiner Unterschied

Kirchliche Diskussionen laufen gerne schonmal unter dem „Highlander-Motto“ ab – „Es kann nur einen geben“!

Christen, denen ihr Glaube wichtig ist, verteidigen diesen selbstverständlich. Wir leben auch nicht gerade in einer Zeit, in der Apologetik nicht dringend nötig wäre. Schwierig wird es dann, wenn nichts Richtiges, Gutes, Hilfreiches stehen gelassen werden kann, nur weil es von der falschen Seite, Bewegung oder gar Konfession kommt. Jeder gute Ansatz ist dann sofort zu verwerfen, wenn er aus der falschen Ecke kommt.

Als Christen können wir nicht oft genug betonen, dass Christus das Zentrum des Glaubens und das Haupt der Kirche ist. Da gibt es keinerlei Möglichkeit, indifferent zu bleiben. Einen Mittelweg gibt es nicht.

Gleich an zwei Stellen in den Evangelien wird uns überliefert, was Christus in Bezug auf sich selbst sagt:

»Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich;
und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.«
(Mt. 12, 30 / Lk 11, 23)

Ein anderes Jesuswort hört sich ganz ähnlich an, scheint dem aber komplett zu wiedersprechen. In Bezug auf seine Jünger und Nachfolger heißt es nämlich:

»Und Jesus sprach zu ihm: Wehrt ihm nicht!
Denn wer nicht gegen euch ist, der ist für euch.«
(Lk 9, 50)

Die Kirche hängt engstens mit Christus ihrem Haupt zusammen, aber sie ist nicht 100% identisch mit ihm. So wichtig die Kirche für den Gläubigen ist, sie existiert auch in einer gefallenen Welt mit eingeschränkter Erkenntnis und begrenztem Fassungsvermögen.

Ich halte es für gut möglich, dass andere kirchliche Traditionen Dinge bewahrt (oder neu entdeckt) haben, die uns vielleicht verloren gegangen sind – und dass bei uns Dinge lebendig geblieben sind, die bei anderen vielleicht in Vergessenheit geraten oder in den Hintergrund gerückt sind. Das wahrzunehmen halte ich einerseits für einen großen Reichtum, andererseits aber auch für eine Herausforderung, meine eigene Position immer wieder neu zu reflektieren.


Disclaimer: Nein, das ist jetzt kein Plädoyer dafür, sich steinbruchartig bei anderen Konfessionen zu bedienen, sich seine individuelle Religion zusammen zu basteln und alle real vorhandenen Grenzen eigenmächtig zu überschreiten. Das gebietet alleine schon der Respekt vor der eignenen und der jeweils anderen Tradition.


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Nichts Neues unter der Sonne … Die Jugend weiß es besser?

Die Rede von den „alten weißen Männern“, auf die man nicht mehr hören solle/könne, beherrscht die derzeitigen Diskussionen in der Kirche und auch in der Gesellschaft. Eine schwedische Jugendliche wird zur Prophetin hochstilisiert, weil sie Demos gegen den Klimawandel initiiert und zu den virulenten Themen in der Kirche werden bevorzugt diejenigen als Fachleute zitiert, deren hervorstechendste Qualität zu sein scheint, die „jüngsten“ TheologInnen, Bischöfe etc. zu sein.

Nun behauptet niemand, jüngere Menschen hätten nicht auch Wichtiges zu sagen. Warum aber ein höheres Lebensalter Menschen disqualifizieren soll, sich zu aktuellen Themen zu äußern, ist genauso wenig einsichtig. Ganz im Gegenteil! Es gab Zeiten, da wurde die längere Lebenserfahrung noch als Qualität angesehen und geschätzt.

In der Benediktsregel (Kapitel 3) findet sich dazu ein sehr ausgewogener Rat:

„Dass aber alle zur Beratung zu rufen seien, haben wir deshalb gesagt, weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist. Die Brüder sollen jedoch in aller Demut und Unterordnung ihren Rat geben. Sie sollen nicht anmaßend und hartnäckig ihre eigenen Ansichten verteidigen.“

Vor diesem Hintergrund ist mir eine alttestamentliche Erzählung eingefallen. Rehabeam, der Sohn des für seine Weisheit berühmten König Salomo, übernimmt die Regierungsgeschäfte und wählt sich Berater:

„Und der König Rehabeam hielt einen Rat mit den Ältesten, die vor seinem Vater Salomo gestanden hatten, als er noch lebte, und sprach: Wie ratet ihr, dass wir diesem Volk Antwort geben? Sie sprachen zu ihm: Wirst du heute diesem Volk einen Dienst tun und ihnen zu Willen sein und sie erhören und ihnen gute Worte geben, so werden sie dir untertan sein dein Leben lang.

Aber er verwarf den Rat der Ältesten, den sie ihm gegeben hatten, und hielt einen Rat mit den Jüngeren, die mit ihm aufgewachsen waren und vor ihm standen. Und er sprach zu ihnen: Was ratet ihr, dass wir antworten diesem Volk, das zu mir gesagt hat: Mache das Joch leichter, das dein Vater auf uns gelegt hat? Und die Jüngeren, die mit ihm aufgewachsen waren, sprachen zu ihm: Du sollst zu dem Volk, das zu dir sagt: »Dein Vater hat unser Joch zu schwer gemacht; mache du es uns leichter«, so sagen: Mein kleiner Finger ist dicker als meines Vaters Lenden. Nun, mein Vater hat auf euch ein schweres Joch gelegt, ich aber will’s euch noch schwerer machen. Mein Vater hat euch mit Peitschen gezüchtigt, ich will euch mit Skorpionen züchtigen.“ (1. Könige 12, 6-11)

Die Folge war eine Spaltung des Volkes, wie man im weiteren Verlauf lesen kann.

Im alttestamentlichen Buch Jesus Sirach findet sich der Hinweis:

„Wenn du in der Jugend nicht sammelst, wie kannst du im Alter etwas finden? Wie schön ist’s, wenn die grauen Häupter urteilen können und die Alten Rat wissen. Wie schön ist Weisheit bei den Alten und bei Angesehenen Überlegung und Rat. Die Krone der Alten ist reiche Erfahrung; und ihre Ehre ist die Furcht des Herrn.“ (Sirach 25, 3-6)

Eine große und komplexe Gemeinschaft, wie es die Kirche ist oder auch ein Staatswesen, tut also gut daran, neben dem Idealismus und dem Engagemant der jüngeren Generationen auch auf die Erfahrung und Mäßigung der älteren Generationen zu hören.

Nein, die „alten (weißen) Männer“ haben nicht ausgedient! Ganz im Gegenteil! Abgesehen davon halte ich diesen diskreditierend gemeinten Ausdruck für rassistisch, sexistisch und gerontophob.

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