Alle Tage, die noch werden sollen

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„Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war.“ (Psalm 139, 16)

Rückblicke, Erinnerungen, Erwartungen, Befürchtungen, Wünsche, Vorsätze und Entscheidungen – davon sind die letzten Stunden des alten und die ersten des neuen Jahres geprägt. Doch was für das der Psalm über das einzelne Menschenleben sagt, gilt sicher auch für Jahre: „alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten“

In diesem Sinne wünsche ich allen Bloglesern einen guten Start in ein reich gesegnetes neues Jahr 2015!

Ein gesegnetes Weihnachtsfest!

 

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Wird Christus tausendmal in Bethlehem geboren
und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.

Gott schleußt sich unerhört in Kindes Kleinheit ein:
Ach möchte ich doch ein Kind in diesem Kinde sein.

Ach könnte nur dein Herz zu einer Krippe werden,
Gott würde noch einmal ein Kind auf dieser Erden.

Merk, in der stillen Nacht wird Gott, ein Kind, geboren,
und wiederum ersetzt, was Adam hat verloren.

Ist deine Seele still und dem Geschöpfe Nacht,
so wird Gott in dir Mensch und alles wiederbracht.

Hier liegt das werte Kind, der Jungfrau erste Blum,
der Engel Freud und Lust, der Menschen Preis und Ruhm.

Soll er dein Heiland sein und dich zu Gott erheben,
so musst du nicht sehr weit von seiner Krippe leben.

Der Himmel senkte sich, er kommt und wird zur Erden;
wann steigt die Erd‘ empor und wird zum Himmel werden?

Angelus Silesius

Veni, veni Emmanuel

Jetzt kenne und liebe ich dieses Adventslied schon so lange und habe jetzt erst festgestellt, dass es von den O-Antiphonen inspiriert ist. Darum gerade heute:


Die O-Antiphonen:

17.12. O Weisheit, hervorgegangen aus Gottes Mund, mächtig wirkst du in aller Welt, und freundlich ordnest du alles. Komm, o Herr, und lehre uns den Weg der Einsicht.

18.12. O Herr und Fürst des Hauses Israel, du bist dem Mose erschienen in der Flamme des Dornbuschs und gabst ihm das Gesetz am Sinai. Komm, o Herr, und erlöse uns mit starkem Arm.

19.12. O Wurzel Jesse, gesetzt zum Zeichen für die Völker. Vor dir verstummen die Mächtigen, zu dir rufen die Völker. Komm, o Herr, und erlöse uns, zögere nicht länger.
Jesse war der Vater Davids, der Messias wird nach der Überzeugung des Alten Testaments ein Nachkomme Davids sein, der aus Bethlehem stammt.

20.12. O Schlüssel Davids und Zepter des Hauses Israel, du öffnest und niemand schließt, du schließest und niemand öffnet. Komm, o Herr, und befreie aus dem Kerker den Gefangenen, der da sitzt in Finsternis und im Schatten des Todes.

21.12. O Anfang, Glanz des ewigen Lichtes, du Sonne der Gerechtigkeit, komm, o Herr, und erleuchte uns, die wir sitzen in Finsternis und im Schatten des Todes.

22.12. O König der Völker, den sie alle ersehnen. Du Eckstein, der das Getrennte eint. Komm, o Herr, und befreie den Menschen, den du aus Erde erschaffen hast.

23.12. O Immanuel, Gott mit uns. Du König und Lehrer, du Sehnsucht der Völker und ihr Heiland. Komm, o Herr, und erlöse uns, Herr, unser Gott.

Paul Gerhardt

stern_adv3 Einer der Liederdichter, die mich immer sehr berührt haben, ist Paul Gerhardt. Ich werde hier nicht viel über die Lebensdaten dieses bekannten evangelischen Liederdichters aus dem 17. Jahrhundert schreiben. Das haben andere Kompetentere ausführlich getan.

Dieser Mann, dessen Lieder so sehr von der Hoffnung und von der innigen Verbindung zu Christus sprechen, war wahrhaftig nicht auf Rosen gebettet. Er hat die Schrecken des 30jährigen Krieges und verschiedener Seuchen erlebt, stand mitten im Konflikt zwischen lutherischer und reformierter Lehre und musste auch persönlich mit einigen Schicksalsschlägen zurecht kommen. Im Alter von 14 Jahren war bereits verwaist. Er hat später auch vier seiner fünf Kinder sowie seine Frau verloren. Umso beeindruckender sind die Hoffnung und das Vertrauen, die in seinen Liedern zum Ausdruck kommen, auch wenn das Schwere nicht verschwiegen wird.

Im Wikipedia-Artikel heißt es: „Gerhardt wird auch das Verdienst zuerkannt, die Entwicklung vom Bekenntnislied zum Andachtslied und das zuversichtliche Preis- und Dankgebet gefördert zu haben. Seine Gedichte haben sich zu Volks- und Familienliedern christlichen Glaubens entwickelt.“ Seine Lieder sind also weniger für den gemeinsamen Gottesdienst, sondern eher für die persönliche Andacht gedacht. Sie erlauben es sich, subjektiv zu sein. Trotzdem haben sie Aufnahme in viele Gesangbücher gefunden – evangelische, freikirchliche und katholische.

Von Paul Gerhardt stammt zum Beispiel eines meiner zwei Lieblings-Adventslieder – ‚Wie soll ich dich empfangen‘:

Obwohl diese Texte so subjektiv sind und so stark das persönliche Glaubenserleben thematisieren, haben sie offenbar auch Gläubigen anderer Zeiten und Prägungen etwas zu sagen.

So schreibt Dietrich Bonhoeffer aus dem Gefängnis in Tegel über das Weihnachtslied ‚Ich steh‘ an deiner Krippen hier‘: „Ich hatte mir bisher nicht viel daraus gemacht. Man muss wohl lange allein sein und es meditierend lesen, um es aufnehmen zu können. Es ist in jedem Worte ganz außerordentlich gefüllt und schön. Ein klein wenig mönchisch-mystisch ist es, aber doch gerade nur soviel, wie es berechtigt ist; es gibt eben neben dem Wir doch auch das Ich und Christus, und was das bedeutet, kann gar nicht besser gesagt werden, als in diesem Lied.“ (in: Widerstand und Ergebung)

Bei aller notwendigen Betonung der Objektivität – und heute ist sie sicher nötiger als zu Paul Gerhardts Zeiten – braucht eben auch die persönliche Frömmigkeit ihren Raum.

‚Ich steh‘ an deiner Krippen hier‘ ist übrigens mein persönlicher Favorit unter den Weihnachtsliedern.



 

2. Advent – Populus Sion

Adventskranz14-06Populus Sion, ecce,
Dominus veniet
ad salvandas gentes;
et auditam faciet
Dominus gloriam vocis suæ
in lætitia cordis vestri.
Qui regis Israel, intende
qui deducis velut ovem Ioseph.

Volk von Sion, siehe, der Herr wird kommen, die Heiden zu erlösen; und der Herr wird hören lassen Sein majestätisches Wort zur Freude eures Herzens. (Jesaja 30,30)
Hab acht, Du Hirte Israels, der Du gleich einem Schäflein Joseph weidest. (Psalm 80,2)

Ein Adventskranz ist ein Adventskranz

615px-AdventCandlesAlle Jahre wieder wird auf Facebook und/oder im Freundes- und Bekanntenkreis diskutiert, wie ein Adventskranz auszusehen hat. Besonders beliebt ist dabei die Auffassung, ein „traditionell katholischer Adventskranz“ müsse drei violette und eine rosafarbene Kerze haben – gemäß der liturgischen Farben der jeweiligen Adventssonntage.

Andere sind der festen Überzeugung, die Kerzen müssten honigfarben sein und die Bänder violett. Und wieder andere halten nur einen Adventskranz mit roten Kerzen für den einzig Richtigen

Ich empfinde die Diskussion um die Farben – vor allem, wenn Meinungen so absolut dargestellt werden wie auf dieser Seite – eher amüsant. Der Adventskranz ist eine Erfindung aus dem evangelischen Bereich. Deshalb muss ich jedes Mal schmunzeln, wenn von einem „traditionell katholischen Adventskranz“ gesprochen wird. Er hat weder eine allzu lange Tradition noch hat er katholische Wurzeln. Die Farbendiskussion empfinde ich als liturgische oder ideologische Überfrachtung einer einfachen und schönen Idee.

Ein Adventskranz ist ein Adventskranz – nicht mehr und nicht weniger. Und deshalb ist meiner unideologisch, unliturgisch und einfach nur so, wie er mir gefällt.

 

Einstieg in den Advent

Ad te levavi – Introitus zum 1. Advent:

Zu dir erhebe ich meine Seele;
mein Gott, auf dich vertraue ich.
Darum werde ich nicht erröten,
noch sollen meine Feinde mich verlachen.
Denn all die vielen, die auf Dich warten,
werden nicht enttäuscht. (Psalm 24, 1-3)

Vers: Herr zeige mir Deine Wege
und lehre mich Deine Pfade. (Ps. 24, 4)

Es war anstrengend, dieses erste Adventswochenende und damit mein Einstig in die Adventszeit: Insgesamt über 600 Kilometer mit dem Auto, jeweils um oder auch vor 7 Uhr morgens aus dem Haus müssen und abends erst um 21 Uhr wieder zurück sein und tagsüber Vorträge hören, diskutieren und viele Begegnungen. Es war aber auch ein sehr reiches Wochenende!

Begonnen hat es mit einem Studientag im Franz-Hitze-Haus Münster zum Thema „Prophetie – ein vergessenes Charisma?“ Trotz oder gerade wegen einiger Diskussionen mit den Referenten habe ich gute Impulse und mehr persönliche Klarheit zu diesem Thema mitnehmen können.

Der Sonntag war ausgefüllt mit einem Besuch der Abtei Königsmünster in Meschede. Der Adventsmarkt an diesem Wochenende war ein willkommener Anlass, wenn auch letztlich mehr Kulisse. Besonders wertvoll waren mir die Messe am Morgen und die vielen Begegnungen während des Tages – ungeplante und geplante. Vor allem hat es mich gefreut, den Pastor der Baptistengemeinde zu treffen, der vor vielen Jahren für die Gemeinde im Saarland zuständig war, zu der ich damals gehörte. Es ist ein besonderes Geschenk, sich nach über 10 Jahren wieder zu treffen und eine Verbundenheit zu erleben, als sei man sich erst vor einigen Monaten das letzte Mal begegnet. Gemeinschaft und christlicher Austausch über die Zeit- und Konfessionsgrenzen hinweg.

Ich bin beschenkt!

„… Denn all die vielen, die auf Dich warten,
werden nicht enttäuscht …“ (s.o.)