Herrschaft oder Dienst?

Wenn ich mir die Diskussionen über kirchliche Themen anhöre, die seit Langem immer wieder aufkommen, geht es häufig darum, der Kirche Machtausübung vorzuwerfen – Machtausübung durch eine rein männliche oder zumindest männlich dominierte Hierarchie. Von vielen Seiten wird Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass die Kirche nicht demokratisch organisiert ist und dass nicht alle Mitglieder dieselben Aufgaben übernehmen können.

Selten höre ich dann etwas davon, dass jeder Mensch eine andere einzigartige Berufung hat und dass er auf Ergänzung angewiesen ist. Die Gaben wie die Begrenzungen, das Geschlecht und die Lebensumstände sind Teil dieser Einzigartigkeit jeder Berufung. Diese Umstände öffnen einige Türen und schließen andere zu. Ein 2-Meter-Hüne hat es ja auch leichter, im Basketballteam seinen Platz zu finden als auf dem Rücken eines Rennpferdes – und wenn er noch so gerne Jockey wäre.

Das biblische Bild von der Gemeinde Christi als Leib mit unterschiedlichen Gliedern und Organen macht es deutlich: Die Kirche kann nur aufgebaut werden im gegenseitigen Dienst mit den je eigenen Gaben im je eigenen Stand. Von diesem Dienst hört man allerdings nur selten etwas in den Diskussionen, „Dialog“angeboten und Themenpapieren.

„Nun aber sind es viele Glieder, aber der Leib ist einer. Das Auge kann nicht sagen zu der Hand: Ich brauche dich nicht; oder auch das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht. Vielmehr sind die Glieder des Leibes, die uns die schwächsten zu sein scheinen, die nötigsten; und die uns am wenigsten ehrbar zu sein scheinen, die umkleiden wir mit besonderer Ehre; und bei den unanständigen achten wir besonders auf Anstand; denn die anständigen brauchen’s nicht.

Aber Gott hat den Leib zusammengefügt und dem geringeren Glied höhere Ehre gegeben, damit im Leib keine Spaltung sei, sondern die Glieder in gleicher Weise füreinander sorgen. Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.“ (1. Korintherbrief 12, 20-26)

Mir ist aufgefallen, dass ich als Laie sehr viel häufiger „Dienst“ in Anspruch nehme, als dass ich wirklich Herrschaft begegne:

  • Wenn ich um eine Segnung bitte, nehme ich Dienst in Anspruch
  • Bei der Beichte nehme ich Dienst in Anspruch
  • Beim Empfang der Sakramente nehme ich Dienst in Anspruch
  • Selbst wenn ich Führung und Leitung erfahre, nehme ich Dienst in Anspruch
  • Als Glied der Kirche erfahre ich auch den Dienst des Papstes. In seinem hohen Alter könnte er auch ein weniger anstrengendes und Disziplin forderndes Leben haben, als sich ganz der Leitung der Kirche zu widmen.

Ist das Klerikalismus? Den sehe ich eher bei der Fixierung auf die Leitungsgewalt der geweihten Ämter, die aber doch viel eher Dienstämter sind.

Ich frage mich, ob diese Sichtweise nicht auch daher kommt, dass Viele gerade diese Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen.

Die Kirche – als Braut Christi – ist weiblich.
Es ist nur recht, dass die Männer ihr dienen. 😉

Und die Laien? Sie könnten eigentlich die Priester mit ihren Begabungen unterstützen, so wie die Priester die Laien unterstützen können in ihrer geistlichen Bildung und ihrem geistlichem Leben. Mir kommt es aber manchmal so vor, als seien hauptsächlich die Dienste gefragt, die bezahlt oder beachtet werden. Von echter gegenseitiger Ergänzung ist wenig zu sehen.

„Aber Gott hat den Leib zusammengefügt und dem geringeren Glied höhere Ehre gegeben, damit im Leib keine Spaltung sei, sondern die Glieder in gleicher Weise füreinander sorgen. Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.“ (1. Korintherbrief 12, 24b-26)

(Dank an den Pater, der mich in einem Gespräch kürzlich ermutigt hat, diese Gedanken in einen Beitrag zu fassen)

„Die Stunde der Laien…

… ist von 13 – 14 Uhr, weil da der Klerus schläft“ – sagte mir augenzwinkernd ein Priester im Hinblick auf seine Gewohnheit, Mittagsschlaf zu halten.

„Die Stunde der Laien“ war die Überschrift eines Vortrags heute bei einem Einkehrtag. Diesmal ging es nicht um schlafenden Klerus, sondern eher um „schlafende“ Laien.

In der letzten Zeit wurde das Thema der Verantwortung der Laien wieder einmal verstärkt in die Öffentlichkeit gebracht. In Zeiten des Priestermangels müssten, so sagt man, die Laien mehr mit eingebunden werden in die Verkündigung und ihren Platz einnehmen. Interessanterweise folgen dann allerdings Vorschläge zu Bereichen, die zu einem großen Teil in die priesterlichen Aufgabenfelder fallen. Kein Wort der Ermutigung, sein Christsein am Arbeitsplatz, im Freundeskreis oder der Familie zu leben. Keine Erwähnung des Zeugnisses, das nur die Laien geben können, weil sie eben vor Ort sind. Ebenfalls lese ich nichts davon, dass Laien in Verwaltung, Organisation, Katechese oder dergleichen die Priester unterstützen und entlasten können und damit Verantwortung für den Aufbau der Gemeinde übernehmen. Sehr merkwürdig!

Folge mir nach!

Und da freue ich mich über einen Vortrag wie heute mit dem Appell an die Laien, ihren Glauben in ihrem Umfeld nicht zu verstecken, sondern ihren Platz in der Welt einzunehmen. Zugegeben, das ist ein deutlich höherer Anspruch an mich, als in einem Liturgiekreis zu sitzen oder in anderen Gremien. Aber niemand hat gesagt, dass es einfach ist, seine ureigenste Berufung zu finden und ihr zu folgen.

Da fehlt doch was

Es existiert jetzt also ein Memorandum, das mittlerweile von knapp 200 Theologen unterschrieben wurde. Die Forderungen nach Wegfall des Zölibat, Änderung der Zulassungsbedingungen zum Priestertum und weitere nicht ganz neue Reformwünsche treten damit zeitlich „günstig“ in der Planungsphase des Papstbesuches in Deutschland vehement wieder an die Öffentlichkeit. Blogger Alipius denkt laut darüber nach, dass dieser Zeitpunkt möglicherweise kein Zufall ist.

Die Verfasser des Memorandums selbst begründen ihre Wortmeldung allerdings mit dem Priestermangel und ihrer Sorge um die individuelle Seelsorge, die dadurch nicht mehr gewährleistet sei. Merkwürdig nur, dass bei diesem Focus auf die Seelsorge und der Befürchtung einer überbordenden Verwaltung/Organisation gerade an den Strukturen gedreht werden soll.

Bei aller Sorge um die Seelsorge lese ich auf der anderen Seite nichts von der Wichtigkeit der Beichte und der Notwendigkeit von festen Beichtgelegenheiten. Ich lese nichts von der unbedingt notwendigen Katechese, die ja nicht zwingend allein durch die Priester geleistet werden muss. Mir fehlt auch völlig die Erwähnung von Möglichkeiten, bei denen Laien ihre spezielle Berufung in der Kirche leben können und damit die Priester unterstützen. Der Kirche wird Klerikalismus – sogar ein wachsender – vorgeworfen. Die Konzentration auf das quantitative Wachstum der Priesterschaft scheint mir nicht weniger klerikalistisch – wenn man nicht unterstellen will, dass eigentlich etwas ganz anderes bezweckt werden soll.