Gestern habe ich an einem ‚Dialogischen Rundgang im Garten der Religionen‘ teilgenommen. Es gibt dort fünf Stationen mit religionsübergreifenden bzw. -verbindenden Symbolen oder Erfahrungen und es gibt die Stationen der fünf Weltreligionen. Jeder der Weltreligionen wurde ein Begriff zugeordnet – nicht exklusiv verstanden, sondern als ein besonderes Merkmal. Teil des Konzeptes war es, über eigene Assoziationen mit diesen Symbolen und Begriffen ins Gespräch zu kommen – natürlich auch, sie mit den Religionen in Verbindung zu setzen.
Besonders nachdenklich hat mich die Reaktion auf den Begriff ‚Ehrfurcht‘ gemacht. Offenbar löst er bei Vielen eher negative Assoziationen aus in Richtung Angst, Niederhalten, Zwang, kleingemacht werden. Ich selbst bringe den Begriff eher in Verbindung mit dem Bewusstsein, vor jemand/etwas Größerem zu stehen und mit einer Art von Ergriffenheit. Ich habe mich dann schon gefragt, wie es kommt, dass über Ehrfurcht nahezu nirgends mehr gesprochen wird. Der Begriff und die dazugehörende Haltung scheinen aus der Mode gekommen zu sein.
Andererseits habe ich bei einer hochkirchlichen Tagung von einem anderen Gast die Aussage gehört „Ich bin froh, Ehrfurcht einfach mal zeigen zu können, ohne schief angesehen zu werden“. Die beifälligen Reaktionen ließen vermuten, dass es dort wohl Vielen ganz ähnlich geht. Offenbar gibt es also doch das Bedürfnis – sogar die Sehnsucht -, seiner Ehrfurcht auch Ausdruck zu verleihen. Und offenbar gibt es jetzt eine andere Art von Niederhalten – nämlich das Niederhalten und Beargwöhnen von Ehrfurchtsgesten. Auch das hat mit der vielbeschworenen Freiheit nicht mehr viel zu tun.
Dem ev. Pfarrer Wilhelm Busch wird der Ausspruch zugeschrieben „Wer vor Gott kniet, kann vor Menschen aufrecht stehen.“ Mir scheint, dass die gesunde Ehrfurcht die Verhältnisse geraderückt und eine eigene Form der Freiheit ermöglicht.