Leuchten

Foto H. LeisingerMeinen Urlaub verbringe ich hin und wieder in einem Franziskanerkloster. Dabei übernehme ich einige kleine Aufgaben, z.B. auch nach den kleinen Kerzen zu sehen, die Menschen dort aufstellen können.

Hin und wieder habe ich also nachgesehen, ob der Kerzenvorrat noch ausreicht und habe die ausgebrannten Behälter entfernt. Diese sollten später sortiert werden, welche noch brauchbar sind und welche nicht mehr.

Meine Gedanken gingen dabei ein wenig spazieren: Die Behälter selbst können nicht leuchten. Ohne die Wachskerze verliert der Behälter seine Bedeutung. Es wäre aber ein Trugschluss zu denken, dass man auf diese leeren Behälter einfach verzichten könnte.

Natürlich ist das Wichtige die leuchtende Kerze, nicht der Behälter. Die Konsequenz ist, dass manche denken, man sollte dann einfach nur die Kerze hinstellen, ohne den unnötigen Behälter. Doch was passiert dann? Die Kerze ohne den schützenden Behälter wird entweder vom ersten Windstoß ausgeblasen oder sie brennt völlig deformiert ab, weil das flüssige Wachs sofort wegfließt.

Manchmal gehen wir mit unseren Traditionen so um. Zu schnell wird sich bestehender Traditionen entledigt, obwohl sie neu mit Inhalt gefüllt werden könnten. Zu schnell wird gesagt: Wenn die Beziehung zu Jesus gut ist, dann ist der Rest nicht mehr wichtig oder überflüssig. Doch beim nächsten Gegenwind kann es sein, dass das Feuer erlischt, oder das Glaubensleben wird seltsam einseitig, weil das formende Element fehlt.

Vielleicht ist nicht jede Tradition noch brauchbar, nicht alles muss und kann unbedingt aufrecht erhalten werden. Doch es ist nicht ungefährlich, bestehende Formen einfach aufzugeben ohne sie durch neue zu ersetzen. Diese Formen können Halt geben bei Gegenwind und Zweifel, sie bewahren vor allzu großer Einseitigkeit.

Jesus sagt: „Darum gleicht jeder Schriftgelehrte, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, einem Hausvater, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt.“ (Matthäus 13, 52)

Neues und Altes hat seine Berechtigung und seine Notwendigkeit. Für mich selbst wünsche ich mir, dass ich diesen Reichtum immer mehr entdecke und mein Leben dadurch bereichern, vertiefen und stützen lasse.

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