„Überspringen von Raum und Zeit“ oder politischer Zeitbezug?

Altarstein

Altarstein – (By ViennaUK (Own work) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia

Ein Gastbeitrag von Manfred Barnabas Loevenich SJB – Kommentar zu „Flüchtlingsboot soll Altar werden

„Der Altar ist der zentrale Ort einer katholischen Kirche. Er ist das Christussymbol schlechthin. Darauf weisen auch die fünf Weihekreuze auf dem Altar. Bei der Altarweihe werden sie mit Chrisamöl und Weihrauch verfüllt, die angezündet werden. Die fünf brennenden Kreuze symbolisieren die fünf Wundmale des Gekreuzigten. Auf diese Weise wird die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers Jesu Christi auf dem Altar erinnert. Vergegenwärtigung ist mehr als bloß Erinnerung; Vergegenwärtigung bedeutet das Überspringen von Raum und Zeit.“ (www.mystagogische-kirchenfuehrung.de/altar.php)

Nun vergegenwärtigt sich das einmalige und unüberbietbare Kreuzesopfers Jesu Christi also – mit viel Zeitbezug und politischer Aussage – in einem Boot.

Ist das noch Repraesentatio (Vergegenwärtigung), Memoria (Gedächtnis), Applicatio (Zuwendung) und Instauratio (Erneuerung), als welche das Mess- und Kreuzesopfer Jesu Christi im Konzil von Trient und im Römischen Katechismus näherhin klassifiziert werden? Oder ist das bereits Aktion und politisches Zeichen?

Was dabei verdrängt zu werden und in Vergessenheit zu geraten droht: Die Messe ist die lebendige, objektive [!] Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers, eine sakramentale Darstellung desselben. Damit ist gleichzeitig ein objektives Gedächtnis verbunden, in Anlehnung an die Worte Jesu Christi: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“

Nun wird aber dem einmaligen und unüberbietbaren Kreuzesopfer Jesu Christi eine zweite Aussage beigesellt (oder soll ich sagen: übergestülpt?) … Nur wird dadurch irgend etwas klarer, wahrer, wahrhaftiger? Oder geschieht genau das Gegenteil?

„Wer sagt, in der Messe werde Gott nicht ein wirkliches und eigentliches Opfer dargebracht, oder die Opferhandlung bestehe in nichts anderem, als dass uns Christus zur Speise gereicht werde, der sei [aus der Kirche] ausgeschlossen.“ Sagt das Konzil von Trient (DH 1751).

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7 Gedanken zu „„Überspringen von Raum und Zeit“ oder politischer Zeitbezug?

  1. Ich verstehe die Problematik überhaupt nicht. Was für Schwierigkeiten soll es geben, die Bedeutung so eines Altars zu verstehen? Das Kreuzesopfer Jesu Christi spielt sich doch zzt. tausendfach auf solchen Booten ab, worin soll denn da ein Gegensatz zum Messopfer liegen? So ein Boot ist ja praktisch eine lebendige Reliquie, in der Christus selbst (in Gestalt jedes einzelnen Bootsflüchtlings) höchstpersönlich gesessen und gelitten hat. Was sollte sich besser eignen für einen Altar als ein vom Heiland durch sein Leiden selbst geheiligtes Objekt?

    Das einzige, was man als evtl. berechtigte Kritik hier gelten lassen könnte, ist die vielleicht etwas sehr stark aufgetragene tagespolitische Symbolik. Das würde ich als Kritikpunkt ja gelten lassen, obwohl ich anderer Ansicht bin und so ein starkes Symbol gerade jetzt für nötig halte, weil ja offensichtlich immer mehr Leute Christus im Flüchtling gar nicht erkennen und trotz dieser häretischen Annahme offenbar noch der Meinung sind bzw. Wert darauf legen, „Christen“ zu sein.
    Aber darüber, also ob der Symbolaltar Woelkis solche Leute zurückgewinnen oder nachdenklich machen kann oder doch eher noch stärker verärgert oder abschreckt oder noch verstockter macht, darüber könnte man diskutieren, ok.
    (Ich denke da z.B. an den Kommentar zum vorausgegangenen Beitrag „Flüchtlingsboot soll Altar werden“, wo jmd. schreibt, der offenbar Migranten nicht mag und dem Kdl. irgendwelche „politisch korrekten“ Motive unterstellt und behauptet, zu so einer Aktion gehöre kein „Mut“; dabei ist ja in Wirklichkeit genau das Ggt. der Fall: Heute ist es ja sowohl in rechtskatholischen als auch deutschnationalen Kreisen politisch total unkorrekt, Flüchtlinge als Christusse zu identifizieren; dafür werden Christen ja gerade ausgelacht oder beschimpft von den Rechten, und gerade darum ist es natürlich total mutig vom Kardinal, sich dafür ja jetzt schon im Vorfeld von den Flüchtlingsgegnern beschimpfen zu lassen).

    Also, was ich sagen wollte, ob die politische Symbolik erkannt wird, oder ob das nicht zu aufgesetzt wirkt, ob es vielleicht Flüchtlingsfeinde zu unsensibel mit der Gegenwart Christi in den Flüchtlingen konfrontiert und sie dadurch zu sehr brüskiert oder vergrault, oder ob so ein Schock nicht doch etwas Heilsames ist, was die Leute brauchen, um zur Besinnung zu kommen und den Herrn anzubeten im Notleidenden … Über all das kann man diskutieren, da bin ich völlig einverstanden. Das sind aber eher die praktischen oder umsetzungsbezogenen oder sagen wir didaktischen oder pastoralen Fragen. Also sekundäre Fragen.

    Die Grundfrage aber, die von der Bloggerin und ihrem Gastkommentator anscheinend ignoriert bzw. für mich irritierenderweise überhaupt nicht thematisiert wird, die ist doch sonnenklar: Wenn du den Bootsflüchtling nicht als Christus erkennst, wie willst du dann Christus in einer Messfeier entgegentreten?? Das geht doch gar nicht. Jemand, der nicht erkennt, dass jeder einzelne Ausländer Jesus Christus höchstpersönlich ist, und der dem Flüchtling deswegen nicht dienen will, wie soll so ein Mensch das Messopfer begehen, und dabei dem Herrn begegnen, ohne sich pervers zu versündigen? Also wer Christus nicht im Armen erkennt, kann ihn doch gar nicht in den gewandelten Gaben erkennen, bzw. darf ihm überhaupt nicht unter die Augen treten.

    • Lieber Jorge, wenn Sie ernsthaft Zugang zur geschilderten Problematik finden möchten, werden Sie unschwer geeignete Fachliteratur dazu finden können. Dann wird auch klar, dass das unblutige Kreuzesopfer auf dem Altar und die gelenkten Migrationsströme nach Europa nichts miteinander zu tun haben. Das Thema ist klar politisch und nicht theologisch.

      Je mehr Sie sich unvoreingenommen mit der aktuellen politischen Debatte beschäftigen, werden Sie feststellen, dass die von den Medien verwendeten Totschlags-Begriffe wie „deutsch-national“, „rechtskatholisch“ oder „Flüchtlingsfeind“ benutzt werden, um einer sachlichen Debatte auszuweichen und unbequeme Fragen vorab als „rassistisch“ zu ächten – und wer will das schon sein…? Unangenehm auffallen, Störenfried sein? Als Gewerbetreibender? Als Beamter?

      Für mich gehört kein Mut dazu, den Herrschenden nach dem Munde zu reden und dabei beruhigt deren publizistische Meinungsmacht im Rücken zu wissen. Das hysterische Abqualifizieren der medialen Verstärker von – ohnehin dünn gesäten – nicht im Mainstream Mitmarschierenden als „Rechtspopulisten“ und „Rassisten“ ist objektiv feststellbar. Ist Ihnen schon aufgefallen, dass in unser dauerempörten Gesellschaft alle Unbequemen das Brandmal „rechts“ aufgedrückt bekommen? Rechtspopulisten, Rechtskatholiken. Alles, was nicht im medial kanonisierten Mainstream mitschwimmt, ist auf einmal per se „rechts“. Wenn Sie sich aber offen in das aktuelle Zeitgeschehen einlassen, werden Sie schnell erkennen, dass die derzeitigen Migrationsströme für unser Gemeinwesen und die nächsten Generationen gesellschaftliche und politische Auswirkungen haben werden, welche jetzt noch gar nicht absehbar sind. Weder das Politikkartell noch Bischöfe wie Marx, Woelki oder Lehmann haben darauf eine Antwort, müssen aber auch keine vorweisen, weil das Medienkartell diese Fragen gar nicht stellt. Seltsam, oder? Ihre Vermutung, dass die Motivation der Kritik einfach die sei, dass man einfach „Migranten nicht mag“, greift da doch erheblich zu kurz, nicht wahr? Wenn Sie sich am Begriff „Kartell“ stören: Sicherlich haben Sie schon gemerkt, dass die gesamte Politik (samt Medien) mit einer Stimme spricht, nur in Nuancen gibt es Abweichungen… Mein Rat: Lassen Sie sich nicht von Medien instrumentalisieren, sondern stellen Sie selbst Fragen, Sie werden sich wundern, zu welchen Ergebnissen Sie kommen werden. 😉

    • Das Problem ist die Instrumentalisierung des Altars und des Eucharistischen Opfers für politische/moralisierende Zwecke.
      Die Messe ist einmal über den Gräbern der Märtyrer gefeiert worden. In geweihten Altären sind Reliquien von Heiligen(!). Das ist etwas grundlegend Anderes als das, was der Kardinal da plant.
      So schlimm das ist, was mit flüchtenden Menschen passiert – das macht sie nicht zu Heiligen. Hier werden Botschaften – ich fürchte, nicht ohne Absicht – durcheinandergeworfen, vermischt und damit verunklart.

      • Selbstverständlich nicht ohne Absicht. Nur ist diese Absicht eben m.M.n. ehrenwert, mutig und erhellend und nicht verwerflich, kriecherisch oder verunklarend. Wenn Christus nicht mit Notleidenden identifiziert werden soll, mit wem denn sonst?

        Der Kritikpunkt, den ich nachvollziehen kann, ist der, dass es als Zeichen etwas zu schrill (typisch Woelki halt) und für Flüchtlingsskeptiker, die es ja auch unter Katholiken gibt, zu schwer verdaulich ist, um wirklich fruchtbare Einsichten daraus ziehen zu können.

        Ein vom Wesenskern der Eucharistie wegführendes Zeichen, wie du anscheinend meinst, ist es aber gar nicht. Auch nicht zu „politisch“.
        Es geht ja nicht darum, welche konkreten flüchtlingspolitischen Konzepte in der die richtigen und angemessenen sind (ob man also etwa das Asylrecht verschärfen oder aufweichen oder die Grenzen schützen oder öffnen soll, um die Lage effektiv zu handhaben). Das ist gar nicht die Frage, da kann es die unterschiedlichsten Meinungen geben.
        Hier geht es viel grundsätzlicher darum, aufzuzeigen, auf wessen Seite die Katholiken stehen, nämlich auf dem der Opfer. Gerade deswegen ist ja das Messopfer der richtige Ort dafür.

        „Moralisierend“ ist es in gewissem Sinne natürlich schon, aber das ist nichts, was die „Botschaft“ verfälscht. Die Botschaft ist ja gerade: Du kannst nicht in die Messe gehen und das Opfer mitfeiern, und danach die Opfer in der Welt abweisen oder verachten. Ohne Herzenswandel und die entsprechenden (auch politischen) Konsequenzen für dein Leben hat das Mitfeiern der Messe weder Sinn noch Zweck.

        Man kann also unterschiedliche Meinungen über die richtigen Konzepte haben, aber man kann nicht z.B. ausländerfeindlichen Gefühlen nachgeben und deshalb „gegen Flüchtlinge“ sein. Diese „Moralisierung“ ist gerade in der jetzigen Lage absolut sinnvoll und nötig, um die Spreu vom Weizen zu trennen, meine ich.
        Deswegen war mein Gedanke, ob das Signal nicht (obwohl es auch für meinen Geschmack etwas zu schrill ist und dadurch leicht aufgesetzt wirken kann) trotzdem gerade jetzt und in dieser Lautstärke richtig ist.

        • Die „Spreu vom Weizen trennen“? In anderen Zusammenhängen würde man das spalterisch nennen. Und das am und durch den Alter? Meine Befürchtungen bewahrheiten sich im Verlauf dieser Diskussion immer mehr.

          Bei den Äußerungen vom Kardinal höre ich auch kein Wort zu Verehrung Chrsiti in der Eucharistie und vom Festgeheimnis des Fronleichnahmsfestes. Statt Anbetung Gottes rein innerweltliches „Gutsein“, die außer ein paar Alibierwähnungen ganz hervorragend ohne Transzendenz auskommt.

          Und wenn Sie von Opfer reden: Christus hat sein Leben für uns geopfert. Wem soll denn das Opfer gelten, dass Sie für die Flüchtlinge reklamieren?

          Niemand bestreitet, dass Gott auch in der Not der Flüchtlinge anwesend ist. Das rechtfertigt aber nicht, die Verehrung Christi durch moralischen Appell und Konfrontation zu ersetzen.

          • Naja, dass sich die Spreu vom Weizen beim Herrenmahl trennt und Spaltungen gerade dort offensichtlich werden und nötig sind, um die Guten von den Bösen zu unterscheiden, ist doch urpaulinisch.
            Dass du Gott nicht im Opfer versöhnen kannst, wenn du innerweltlich nicht versöhnt bist, und dich deshalb vor dem Gang zum Altar lieber erstmal mit deiner Schwester versöhnen solltest, selbst wenn das den Gang der Liturgie stört, ist sogar jesuanisch.

            Das Festgeheimnis des Fronleichnahmsfestes und das kath. Eucharistieverständnis überhaupt besteht ja auch gerade darin, eben nicht in die Transzendenz zu flüchten, sondern sie herunterzuholen und zu durchbrechen und Christus innerweltlich zu vergegenwärtigen, also in die Welt zu tragen. Das geschieht normalerweise im gewandelten Herzen des Messbesuchers, wenn er wieder nach Hause geht (deshalb heißt es ja „Messe“); dgl. in der Prozession sogar physisch, indem er das Sakrament sogar durch die Stadt trägt.
            Heiligung der Gläubigen und der ganzen Welt durch Teilhabe am Christusopfer ist also der Sinn des ganzen katholischen Altarssakraments und der Fronleichnamsprozession im Besonderen. Wie man sieht, gibt es gerade im katholischen Eucharistieverständnis also überhaupt keine strenge Trennung von innerweltlich und transzendent; es ist dasselbe bzw. es steht in Analogie zueinander.

            Teilhabe ist auch das Stichwort zur zweiten Frage, die wieder typisch protestantisch gestellt ist. Es geht im Katholizismus weniger darum, dass Christus sich *für uns* geopfert hat und wir darum erlöst sind (was natürlich stimmt, aber es ist nicht das katholische Hauptaugenmerk), weil es nicht egozentrisch um *unsere* persönliche Erlösung geht, sondern um die *Heiligung* der Kirche und der ganzen Welt, die durch Christus geschieht und an der wir mitwirken. Für einen Lutheraner klingt das natürlich nach „Werkgerechtigkeit“, das ist aber nicht gemeint, es geht nicht ums Verdienen von irgendwas durch gute Werke, sondern ums Mitmachen beim Erlösungswerk. Deshalb innerweltlich, wo sollten wir auch sonst mitmachen?

            Deshalb geht es auch nicht darum, dass die Flüchtlinge (oder die Heiligen oder sonstwer) uns durch ihr Opfer oder ihre Werke von irgendetwas erlösen könnten (was natürlich Quatsch ist), sondern dass jeder Leidende und jeder Heilige teilnimmt an dem, was mit Christus passiert ist und wodurch er uns erlöst hat.

            Teilhabe, Heiligung, Vergegenwärtigung, das sind die Stichworte, die ein Flüchtlingsboot im kath. Verständnis unmittelbar einsichtig mit dem Altarssakrament verbinden.

          • Du schreibst: „Das Festgeheimnis des Fronleichnahmsfestes und das kath. Eucharistieverständnis überhaupt besteht ja auch gerade darin, eben nicht in die Transzendenz zu flüchten, sondern sie herunterzuholen und zu durchbrechen und Christus innerweltlich zu vergegenwärtigen, also in die Welt zu tragen.“

            Aber das ist die Frucht[!] des Eucharistischen Opfers und nicht das Opfer selbst. Und das wäre die genuine Aufgabe von uns Laien[!].

            Du schreibst von einer ‚Flucht in die Tranzendenz‘, aber geschieht heute in den Kirchen nicht viel eher eine Flucht VOR der Transzendenz in das nahezu rein innerweltlich Versteh- und Begreifbare? Gerade Fronleichnam ist als Fest ja eher auf den Vorgeschmack auf die kommende Herrlichkeit gerichtet als auf diesseitige erzieherische Appelle.

            Deine Kommentare hören sich durchweg ja erstmal gut an, wenn da nicht immer wieder unterschiedliche Ebenen vermengt würden.

            Beispiel ‚Opfer‘: Es gibt kein losgelöstes Opfer. Es gibt nur ‚Opfer für…‘ oder ‚Opfer von…‘ Das Erste ist für unsere Erlösung relevant, das Zweite fordert unser helfendes Handeln (als Frucht des Ersten)

            Zweites Beispiel: „… sondern dass jeder Leidende und jeder Heilige teilnimmt an dem, was mit Christus passiert ist und wodurch er uns erlöst hat.“ Der Bezug der Heiligen und Märtyrer zum Kreuz Christi ist ein anderer als ‚jeder Leidende‘ usw.

            Nicht so ganz verstanden habe ich, warum im letzten Kommentar von ‚protestantischer Argumentationsweise‘ und von Lutheranern die Rede war. Zur Information: Ich bin römisch-katholisch, und genau deshalb empfinde ich diese Aktion als problematisch.

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